Raum für Trauer – privat & beruflich

27.10.2025 6 Min. Lesezeit Beratung & Begleitung | Blog | Newsletter | Werkzeuge

Wann hast du Trauer zuletzt bewusst erlebt – bei dir oder in deinem Team – und wie viel Raum hat sie dort wirklich bekommen?

Foto von Querfeld.Design mit Unterstützung von KI

was wirklich trägt,
wenn verlust uns oder unser team trifft.

Das Leben verlangt von uns oft, dass wir Dinge wegstecken, für die wir gar keine Taschen haben.

Dieser Impuls lädt ein, Trauer sichtbar, sprechfähig und tragbar zu machen – im Privaten wie im Unternehmen.

Abschied, Trauer, Sterben – ein Thema, das uns alle irgendwann betrifft und doch so oft gemieden wird.
Die erste Begegnung mit dem Tod ist bei jedem anders: Wer sie in Kindheit oder Jugend erlebt, wird häufig nicht mit einbezogen; wer erst als Erwachsene:r damit konfrontiert ist, steht meist ohne Erfahrung da – und ist überwältigt. Trifft ein Todesfall das Team oder Unternehmen, steht innerlich alles still – und doch muss der äußere Betrieb weitergehen.

Trauern lernt man selten; vielen fehlt eine Sprache dafür. Darum wird der erste Verlust oft zur Überforderung: sprachlos, haltlos, erschöpft. Für die einen wird Arbeit dann zum Anker – Struktur, Kopf frei, ein Stück Normalität. Für andere ist schon der Gedanke an Aufgaben unvorstellbar. Beides ist richtig. Wichtig ist, dass Kolleg:innen, Teams und Führungskräfte wissen, wie konkreter Rückhalt aussieht – zuhören statt trösten, Angebote statt Floskeln, Rituale statt Wegschieben. So wird Trauer nicht zum Tabu, sondern zu etwas, das wir miteinander halten können.

WARUM TRAUER RAUM BRAUCHT

Trauer ist keine Schwäche, sondern eine gesunde Antwort auf Bindung.

Sie verläuft bei jedem Menschen anders: Phasen können sich überlagern, aussetzen und wiederkehren; mal leiser, mal gewaltig. Der Körper arbeitet dabei auf Hochtouren. Schlaf, Gedächtnis, Konzentration und Energie geraten aus dem Takt – besonders in den ersten Tagen und Wochen. Während für Außenstehende das Leben scheinbar weiterläuft, steht es für Trauernde still. Gerade deshalb braucht es Halt, der nicht drängt, sondern trägt.

IM ERSTEN MOMENT

Wenn die Nachricht kommt, fehlen oft Sprache und Orientierung. Es hilft, den Rahmen klein zu machen: DA SEIN, atmen lassen, etwas zu trinken hinstellen, dafür sorgen, dass die Person nicht allein nach Hause gehen muss oder eine vertraute Person informiert wird. Niemand braucht jetzt perfekte Sätze. Nähe reicht. Fragen dürfen simpel sein: „Soll ich jemanden für dich anrufen?“ Kleine Entscheidungen schaffen Sicherheit.

WAS JETZT WIRKLICH HILFT

Wirklich hilfreich sind Zuhören und Präsenz – nicht Erklärungen. Statt vager Floskeln braucht es konkrete Angebote: „Ich rufe dich am Freitag um 16 Uhr an.“ oder „Ich übernehme diese zwei Termine.“
Führung gibt den Rahmen, indem sie Erwartungen klar senkt, Flexibilität ermöglicht und Aufgaben neu verteilt – und sie bleibt dran, fragt auch nach Monaten noch einmal in Ruhe nach.
Eine Kultur der Erinnerung braucht einen Ort für Bilder oder eine Kerze. Stirbt ein:e Kolleg:in, hilft es, die Arbeitsbiografie zu würdigen, den Kontakt zur Familie aufrichtig zu halten und Routinen behutsam anzupassen.

Und niemals ignorieren: Der erste Schritt ist schwer, die Angst, etwas Falsches zu sagen, normal – falsch wäre nur, den Trauernden aus dem Weg zu gehen.

ARBEIT: ANKER, AUSZEIT – ODER BEIDES

Arbeit kann Entlastung und Struktur sein – oder Nebensache. Entscheidend ist nicht die richtige Geschwindigkeit, sondern der erfahrene Rückhalt. Ein klar kommunizierter Schutzraum im Arbeitsalltag – reduzierte Erwartungen, Priorisierungshilfe, eine Ansprechperson, die filtert und gegebenenfalls abschirmt oder auch einbremst – macht den Unterschied.

WARUM WIR DARÜBER SCHREIBEN

Ich, Marion Kirschner, habe einen schweren Schicksalsschlag erlebt und mich intensiv mit Trauer auseinandergesetzt. Ich habe eine Trauergruppe gegründet und bereite meine Ausbildung zur Hospizbegleiterin vor. Dieses Thema bewegt mich – ich möchte aufklären, Berührungsängste abbauen und Trauer enttabuisieren.

Querfeld.Design gibt mir dafür den Raum: Wir machen diese Aufklärungsarbeit sichtbar und tragen sie in Organisationen. Denn wir gestalten Kulturentwicklung auch für schwierige Kapitel. Eine Organisation, die über Verlust sprechen kann, ist widerstandsfähiger – menschlich und wirksam.

WO ES HILFE GIBT

Trauer ist ein Weg – aber nicht ohne Wegbegleitung.
Nutzt lokale Trauerbegleitung, Seelsorge, psychologische Beratungsstellen sowie Selbsthilfegruppen vor Ort.

www.telefonseelsorge.de
Telefonnummer: 0800 1110111 / 0800 1110222 oder 116 123
www.krisenchat.de

Die 15 ANKERPUNKTE FÜR HALT UND RAUM BEI TRAUER

#1 Kein Tabuthema

Trauer gehört zum Leben. Wenn wir sie offen ansprechen („In unserem Team ist Trauer okay – wir reden darüber“), nehmen wir Scham und Unsicherheit. Sichtbarkeit schafft Erlaubnis.

#2 Alle Gefühle sind erlaubt 

Tränen, Stille, Wut, Lachen, Erleichterung – alles sind normale Reaktionen auf Verlust. Es braucht keinen „richtigen“ Ausdruck; wichtig ist, dass er sein darf, ohne bewertet zu werden.

#3 Fehlerfreundlich bleiben 

Der erste Schritt ist oft der schwerste; Angst, etwas Falsches zu sagen, ist normal. Falsch ist nur das Ausweichen. Ein simples „Ich denke an dich und bin da“ reicht als Anfang – und macht den Unterschied.

#4 Nähe statt RatschlaG

Dableiben, zuhören, aushalten. Ein einfacher Satz trägt weiter als Lösungsvorschläge: „Ich bin da. Magst du erzählen?“ Pausen und Stille sind Teil des Gesprächs.

#5 Sprache, die trägt 

Kurz, ehrlich, ohne Trostsätze: „Es tut mir leid, dass du das erlebst.“ „Wie ist es heute?“ „Darf ich dir etwas abnehmen?“ Keine Erklärungen, keine Vergleiche, keine Aufmunterungsparolen.

#6 Konkrete Hilfe statt Floskel

Nicht „Meld dich, wenn …“, sondern Angebote mit Termin: „Ich übernehme bis Freitag die Kundenmails – passt das?“ oder „Ich rufe dich am Mittwoch um 16 Uhr an.“ Konkretion nimmt Entscheidungslast.

#7 Selbstfürsorge ist Teil der Trauer 

Schlaf, Essen, Wasser, Bewegung, frische Luft, Pausen. Eine „Heute-ist-genug“-Liste entlastet. Selbstfürsorge ist kein Egoismus, sondern Stabilisierung.

#8 Rituale geben Halt 

Eine Kerze, ein Foto, ein stiller Beginn im Meeting, ein gemeinsamer Spaziergang – klein, freiwillig, wiederholbar. Rituale strukturieren Beziehung und Erinnerung.

#9 Würde der Erinnerung 

Erinnerungen teilen, kleine Geschichten bewahren, Orte des Erinnerns schaffen. Wenn ein:e Mitarbeiter:in verstorben ist: die Arbeitsbiografie würdigen und den Kontakt zur Familie respektvoll aufrechterhalten (z. B. persönliche Nachricht, Teilnahme an Gedenkterminen, optional Einladung zu einem erinnernden Teammoment).

#10 Jahrestage im Blick 

Vor sensiblen Tagen proaktiv und leise fragen: „Wie hättest du es diese Woche gern?“ Das gilt nicht nur im ersten Jahr – auch am dritten oder fünften Jahrestag kann ein kurzer Gruß, Anruf oder eine Nachricht guttun. Beständigkeit signalisiert: Du bist nicht allein.

#11 Dranbleiben über Zeit 

Trauer verläuft wellenförmig. Ein kurzer Check-in nach 3, 6, 12 Monaten – und danach gelegentlich – zeigt verlässliche Nähe. Kein Tempo einfordern, nur Raum anbieten.

#12 Kinder einbeziehen  

Kinder und Jugendliche sind trauerkompetent, wenn wir ehrlich und altersgerecht sind. Indem wir das Tabu brechen (klar erklären, Fragen zulassen, erinnern ermöglichen), entsteht ein offenerer Umgang für die ganze Familie – heute und in Zukunft.

#13 Arbeit mit Augenmaß  

Für manche ist Arbeit Anker, für andere Nebensache. Flexibilität ermöglichen, Erwartungen reduzieren, Aufgaben neu verteilen. Kommunikation bündeln und Prioritäten klar halten – das entlastet.

#14 Professionelle Hilfe ist Stärke  

Vor sensiblen Tagen proaktiv und leise fragen: „Wie hättest du es diese Woche gern?“ Das gilt nicht nur im ersten Jahr – auch am dritten oder fünften Jahrestag kann ein kurzer Gruß, Anruf oder eine Nachricht guttun. Beständigkeit signalisiert: Du bist nicht allein.

#15 Achte auf Smalltalk-Fallen  

Taktlose Standards rutschen schnell raus und treffen hart. Vermeide Zeitleisten, Vergleiche und Ratschläge („Schon fünf Monate …“, „Kopf hoch“, „Alles hat seinen Grund“).

Merksatz: Wenn du unsicher bist, sag das ehrlich: 
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll – es tut mir leid, dass du das erleben musst.“

UND JETZT?

Ich weiß, das ist viel – und nicht leicht zu lesen. Nimm dir Zeit, denk darüber nach und lass es wirken.
Wie wäre es, heute Abend eine Person anzurufen, die vor Kurzem jemanden verloren hat – und einfach zu fragen, wie es ihr gerade geht?


FÜR MEHR LEICHTIGKEIT IM SCHWEREN.
FÜR EINE WUNDERBARE ZUKUNFT.

Wir hoffen, diese leisen Impulse geben dir und euch ein Stück Halt – im Leben wie im Arbeiten.
Querfeld.Design gestaltet Kultur mit Sinn für Ästhetik und Menschlichkeit. Wir begleiten Teams und Organisationen auf dem Weg der Veränderung – Schritt für Schritt, tragfähig und wirksam.

Inhalt


AUTORIN:
Marion Kirschner im Austausch mit ihrer Trauergruppe und dem Team von Querfeld.Design